Der Hülser Milchviehhof Schleupen plant seine seit 2001 bestehende Biogasanlage auf die Produktion von Wasserstoff umzustellen. Mit diesem könnten beispielsweise Busse CO2-neutral angetrieben werden. Die Anlage, die dafür installiert werden soll, wäre die erste ihrer Art in Deutschland und ein Pilotprojekt der Entwicklerfirma WS Prozesstechnik aus der Nähe von Stuttgart. Diese würde die rund 800.000 Euro teure Anlage als Machbarkeitsstudie kostenlos zur Verfügung stellen. Die Familie Schleupen sucht nun Abnehmer für den Wasserstoff. Logischer Partner wären die Stadtwerke Krefeld, doch bislang verlaufen die Gespräche schleppend.
„Wasserstoff ist ein Energiespeicher, der in der Diskussion oft falsch behandelt wird“, sagt Max Schleupen, der 30 Jahre alte Sohn von Hofinhaber Werner Schleupen. Der Werkstoffingenieur arbeitet gerade an seiner Promotion - eigentlich im Bereich der Metallforschung. Doch Nachhaltigkeit und die Energiewende sind ihm wichtig. Darum treibt er das Projekt intensiv voran. „Grundsätzlich geht bei der Erzeugung von Wasserstoff viel Energie verloren. Darum ergibt es keinen Sinn, ihn mit Strom zu erzeugen, der direkt ins Netz geleitet werden könnte. Für Überkapazitäten ist es aber eine gute Speichermöglichkeit“, befindet der Projektinitiator. Das aber bezieht sich vor allem auf Windkraft oder Photovoltaik. Bei Biogasanlagen verbessert der Prozess der Reformieren den Wirkungsgrad sogar.
„Unsere Anlage wurde 2001 installiert und läuft nun aus der Förderung. Wir erzeugen derzeit mit einem 850 Kubikmeter-Fermenter Biogas aus Gülle und Mais. Das bestehende Biogas wird in einem Blockheizkraftwerk mit 250 kW Leistung verstromt. Nach Ende der Förderung würde sich das nicht mehr rechnen und beim ersten Defekt müssten wir die Biogasproduktion nach allen wirtschaftlichen Erwägungen einstellen“, sagt Max Schleupen. Doch mit der Reformierung des Gases zu Wasserstoff bestünde eine neue Möglichkeit.
„Das Verfahren ist generell erprobt. Aus Erdgas wird auf diesem Wege der meiste auf der Welt produzierte Wasserstoff hergestellt. Aus Methan und Wasser entsteht unter Wärmeeinwirkung Wasserstoff und Kohlenmonoxyd, das wiederum in einer zweiten Reaktion mit Wasser zu Kohlendioxid und weiterem Wasserstoff oxidiert wird“, erläutert er. Damit habe der gespeicherte Wasserstoff am Ende einen wesentlich höheren Energiegehalt, als bei der Verstromung erzielt würde. Übrig bleibt ein mehtanfreier Stoff, der alle Nährstoffe enthält und auf die Felder aufgebracht wird um Stoofkreisläufe zu schließen. „Alle Biogasanlagen in Deutschland produzierten 2019 32,5 Terrawattstunden Strom. Mit der Reformierung könnte man Wasserstoff mit einem Energieäquivalent von 58,3 Terrawattstunden herstellen. Der Prozess würde wirtschaftlicher und wäre eine Basis für eine auf Wassertoff basierende Mobilität“, sagt Schleupen und rechnet vor: „Mit diesem aus den bestehenden Biogasanlagen gewonnen Wasserstoff ließe sich der gesamte Schwerlastverkehr oder 25 Prozent des motorisierten Inidividualverkehrs zuzüglich des kompletten ÖPNV betreiben.“
Was der Familie derzeit fehlt sind feste Verträge über die Abnahme. „Mit unserer Anlage könnten wir zehn Busse dauerhaft betreiben. Wir haben die SWK angesprochen, aber die Gespräche verlaufen stockend. Wir brauchen aber Zusagen, denn wir müssten selbst rund 60 bis 70.000 Euro investieren. Außerdem müsste die Tankstelle errichtet werden“, rechnet er vor. Die Investition der SWK in neue Busse und die Tankstelle betrüge rund 2,4 Millionen Euro, die weitgehend förderfähig wären. „Außerdem gibt es im sogenannten Biokraftstoffquotenhandel Zertifikate für Klimaneutralen Verkehr, über die sich das Ganze im Endeffekt rechnen würde“, sagt Schleupen, der auch betont: „Es geht nicht darum, extra für das Projekt Wasserstoffbusse anzuschaffen und andere abzugeben. Das wäre ökologisch wie ökonomisch Unsinn. Aber das Unternehmen schafft eh jedes Jahr bis zu zehn neue Busse an. Hier sollte man auf Wasserstoff setzen.“
Das Konzept überzeugt auch Krefelds Ratsfrau Björna Althoff. Die Klima-Aktivistin kritisiert die Stadtwerke. „Eine Wasserstoffproduktion über Hydrolyse und grauen Strom führt zu Klimaerwärmung. Hier wird aber ein sehr effektiver Prozessweg über Restmittel wie Lebensmittelabfälle und Gülle entwickelt. Das bietet die Chance, dezentrale erneuerbare Energien vor Ort auszubauen und zu speichern. Diese Innovation könnte bundesweite Pilotwirkung für weitere Anlagen haben. Das ist im Gegensatz zu RWE-Aktien ein nahhaltiges Investment for Ort“, sagt sie. Auf der politischen Ebene arbeitet sie nun an Mehrheiten, um die Kooperation über den Aufsichtsrat auf die Beine zu stellen.
„Sollte es mit den SWK nichts werden hoffen wir aber auf andere Partner. Wir befinden uns an mehreren Stellen in Gesprächen“, sagt Schleupen. Das Pilotprojekt soll, das ist sein fester Wunsch, in jedem Fall nach Krefeld kommen.